Holzfass vs. Edelstahltank: was bedeutet das für den Wein?
Weinwissen
Oktober 13, 2016

Holzfass vs. Edelstahltank: was bedeutet das für den Wein?

Zunächst einmal spielt hier unsere Vorstellungsgabe mit ein. Es baut sich doch gleich ein viel romantischeres Bild auf, wenn wir uns einen Weinkeller mit schönen alten Holzfässern vorstellen, als mit kalt anmutenden Tanks. Doch es steckt natürlich viel mehr dahinter und eine kleine Ehrfurcht ist insofern begründet, als dass der Ausbau des Weins im Holz eindeutig ein Qualitätsmerkmal ist und für eine aufwendigere und kostspieligere Weinbereitung steht. Entscheidend ist aber der Einfluss, den das Holzfass beziehungsweise der Stahltank auf den Stil des Weines hat.

Besonderheiten eines tankausgebauten Weines

Wichtigster Faktor, der in diesem Zusammenhang zu nennen ist: Sauerstoff. In Edelstahltanks kann der Wein ungestört von äußeren Einflüssen und insbesondere von Sauerstoff heranreifen. Durch den geringen Sauerstoffkontakt behält der Wein eine ausgeprägte Fruchtaromatik, Frische und Knackigkeit. Deshalb wird Weißwein überwiegend in Tanks ausgebaut. Lagert man den Wein im Tank, gibt es keinen Kontakt über die Behälterwand nach außen. Natürlich laufen auch im Tank die üblichen enzymatischen Prozess ab, jedoch sind sie durch die verminderten Oxydationsvorgänge extrem verlangsamt, so dass besonders die Fruchtaromen erhalten bleiben und der Wein sich seine Frische bewahrt. Vor allem wenn man zusätzlich für eine kühle Kellertemperatur sorgt.

Intensive Aromen durch Holzfass-Ausbau

Das genaue Gegenteil der oben beschriebenen Vorgehensweise ist der Ausbau und die Lagerung eines Weines im Holzfass. Holz ist ein Naturprodukt das lebt, das sich unter Temperatureinflüssen verändert, das Poren hat, das eine starke Aromatik aufweist und das aufgrund einiger oben genannter Eigenschaften schlichtweg sauerstoffdurchlässig ist. Das heißt, Luft kann eindringen und Flüssigkeit verdunsten (der Wein im Fass sich also konzentrieren). Diese beiden Vorgänge beeinflussen chemische Prozesse im Wein, die sich maßgeblich auf aromatische und konservierende Eigenschaften auswirken. Zudem belässt der Winzer die abgestorbenen Hefen aus dem Gärprozess teilweise oder vollständig im Fass. Der lange Hefekontakt wirkt sich ebenfalls intensivierend auf das Aroma aus.

Übrigens: Durch den frühen Kontakt mit Sauerstoff reagieren Weine aus dem Holz später beim Genuss weniger auf Sauerstoff, das heißt sie halten in angebrochenen Flaschen länger. Wichtig ist auch das Alter des Fasses. Ein neues Holzfass gibt Aromen von Holz und Rauch an den Wein ab. Dieser aromatische Effekt nimmt mit zunehmender Verwendung der Fässer ab, weshalb sie – je nach gewünschtem Stil – maximal dreimal zum Einsatz kommen. Insgesamt kann man sagen, dass der Einsatz von Holz dem Wein Körperreichtum und ein erweitertes Aromenspektrum verleiht, ihn in der Konsistenz cremiger und schmelziger erscheinen lassen. Wünscht man sich entsprechende Eigenschaften bei Weißwein setzt der Winzer auch hier auf den Holzausbau. Weißweine werden dann konzentrierter, runder, schwerfälliger, verlieren ihre Knackigkeit, bekommen aber etwas edles in ihrer Aromatik.

Übrigens: der geschmackliche Einfluss der Eigenaromen des Holzes auf den Wein lässt mit den Jahren nach. Die übrigen aus Holzausbau resultierenden Geschmackskomponenten bleiben jedoch langfristig erhalten (Cremigkeit, Körperreichtum, etc.). 

Besonderheit des Bordelais

Wir dürfen – nicht ohne Stolz – sagen, dass die führenden Weingüter in Bordeaux als Vorreiter des Fassausbaus von Weinen insbesondere von Cabernet Sauvignon und Merlot gelten. Besonders beliebt bei Genießern und Winzern gleichermaßen sind Holzfässer aus französischer Eiche. Mit ihnen erzielt man in der Regel die besten Ergebnisse. Die Holzaromen integrieren sich optimal in den Geschmack des Weins. Zudem sind die hieraus entstehenden Vanillenoten für viele Weinliebhaber ein besonders geschätztes Aroma. Französische Eiche hat darüber hinaus die Eigenschaft, die starken Tannine abzumildern und sorgt damit für ein harmonisches Geschmackserlebnis. Ein Barrique ist übrigens nichts anderes als ein kleines Fass, das kleinste im Weinbau genutzte. Es hat seinen Ursprung im Bordeaux des Mittelalters und war aufgrund seiner Größe und Handlichkeit beliebt zur Verschiffung. Heute wird das Wort Barrique vor allem außerhalb von Frankreich für Holzfässer aller Art gebraucht. Grundsätzlich können wir sagen – ein Patentrezept für den Ausbau im Stahltank oder im Holzfass gibt es nicht. Jeder Winzer muss für sich entscheiden, welche Art von Wein er produzieren und welchen Konsumenten er damit ansprechen will.

Santé!

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