Von Bremen nach Bordeaux: Interview mit Thomas Fabian vom Château d’Ésther
Portrait
August 26, 2023

Von Bremen nach Bordeaux: Interview mit Thomas Fabian vom Château d’Ésther

Mehrere tausend Winzer leben und arbeiten in der Region um Bordeaux und einer von ihnen ist Thomas Fabian. Der gebürtige Deutsche wurde in Bremen geboren, doch kaum volljährig zog es ihn ins Ausland. Fortan arbeitete er als Koch in der Schweiz, bevor sein Weg ihn nach Paris brachte, wo er 19 Jahre lang ebenfalls als Koch in verschiedenen Restaurants arbeitete. Die Hälfte der Zeit sogar in seinem eigenen.

Irgendwann entschied er das Leben in der Küche für eines im Weinberg einzutauschen, und so schulte Fabian auf Landwirtschaft um, mit dem Ziel Winzer zu werden. Seither ist er in ganz Bordeaux bekannt für seine innovative Herangehensweise und seinen Fokus auf Biodiversität. 

Thomas Fabian’s Werdegang liest sich wie ein modernes Märchen. Vom deutschen Kochlehrling zum Restaurantbesitzer in Paris und schließlich zum Winzer in Bordeaux. Um die Jahrtausendwende hing er die Kochschürze an den Nagel und fand in Bordeaux ein heruntergewirtschaftetes Château, welches er kaufte, um es zu neuem Leben zu erwecken. 20 Jahre lang hatte hier niemand etwas angebaut, doch das beirrte Fabian wenig.

Mit dem Château d’Ésther lag sein Fokus von Anfang an auf Biodiversität. Fabian verzichtete auf jede Form von Pestiziden und setzte stattdessen auf Fruchtbäume, Insekten und Vögel. Der Erfolg gab ihm Recht und heutzutage finden sich Jahr für Jahr viele Besucher aus aller Herren Länder bei Thomas Fabian und seiner Frau Eva ein, um von ihnen alles zum Thema ökologischer Weinanbau zu lernen. Wir durften mit Thomas Fabian über seine Arbeit sprechen.

Was unterscheidet das Château d’Ésther von anderen Weingütern?

Bei uns sieht es ganz anders aus als auf einem normalen Weingut. Ich wollte aus der Monokultur raus und hab alles biodynamisch umgebaut. Das bedeutet im Klartext, dass es bei uns neben Wein auch Hühner gibt, Kühe, Ochsen, 150 Vogelhäuser und 250 Obstbäume. Mitten im Wein wachsen Getreide und Sonnenblumen, gespritzt wird ausschließlich mit pflanzlichen und abbaubaren Mitteln, die wir selbst herstellen.

Bearbeiten du und deine Frau Eva das Weingut allein?

Wir haben eine Partnerschaft mit deutschen Waldorfschulen (vor allem in Berlin) – und ermöglichen es deutschen Schülern und Studenten ein freies soziales Jahr zu absolvieren. Wwoofing (WWOOF steht für World-Wide Opportunities on Organic Farms) machen wir auch. Im Sommer leben bis zu 4 solche Freiwillige bei uns und jeder hat seine feste Rolle und Aufgaben. In den 3-10 Monaten, die diese jungen Menschen hier sind, kochen und essen wir täglich zusammen, zumeist mit dem, was wir selbst anbauen. 

Wie kann man sich eure besondere Herangehensweine vorstellen?

Wir haben fast 13 Hektar Land, drum herum haben wir Wildhecken gepflanzt, zum Beispiel Eichen, Büsche, wilde Rosen, etc.. Die Büsche blühen recht früh im Jahr (Januar bis März) und so entsteht Leben. Im Weinberg selbst haben wir Sonnenblumen, Korn, und vieles mehr angebaut. Jede 15. Reihe wurde mit Obstbäumen, Johannisbeeren, und Ähnlichem ergänzt. Die Insekten gehen in die Obstbäume, wenn diese blühen und so entsteht eine Nahrungskette für Vögel. 

Je mehr Blüten auf Bäumen und auf der Erde wachsen, desto mehr locken sie die Insekten an, sodass die Vögel diese gegenüber den Trauben bevorzugen. Sie ernähren sich von Wurmlarven und Insekten und deswegen haben wir keinen Schaden an den Rebstöcken – Önologen nennen so etwas einen Ernährungskreis.

Außerdem haben wir 8 oder 9 Bauten für Igel und Reptilien, denn auch diese tun viel Gutes für die Biodiversität in unserem Weingut. Für jede Tierart arbeiten wir mit einem Verein, um die bestmöglichen Infos über jedes Tier zu bekommen. Ein Großteil unserer Methode wurde so zum Beispiel in Zusammenarbeit mit dem LPO, dem lokalen Vogelschutzverband, ausgearbeitet. 

Wir sind seit Jahren auf diese Herangehensweise spezialisiert und der erste Hof in Frankreich, der so gearbeitet hat. Mittlerweile bekomme ich viele Anfragen von Winzern, aber auch von Gemüsebauern, die sich von mir beraten lassen wollen.

Was sind die größten Herausforderungen für dich als Winzer?

Ich kann nicht die Mengen an Wein erzeugen wie ein normaler Winzer. Wir sind bei jährlich maximal 35 Hektoliter. Die Arbeit hört nie auf, da wir die Naturprodukte, die wir spritzen, alle zusätzlich selbst heranzüchten und herstellen. 

Normal hat man 15 verschiedene Pflanzen auf 100qm. Wir haben 85 verschiedene Wildpflanzen im Weinberg, aufgrund unserer besonderen Pflege. Das ist aufwendig, klar, aber es lohnt sich auf jeden Fall.

Sind Besucher auf eurem Weingut willkommen? 

Besucher sind definitiv willkommen. Im Sommer gibt es einen kleinen Campingplatz, auf dem man 1-2 Tage stehen kann. Seit knapp 20 Jahren sind wir auf diese Art geöffnet und so hat sich über die Jahre eine treuer, vorrangig deutscher, Besucherstamm entwickelt.

2018 waren es 800 Besucher, die über Nacht blieben. Im Sommer darf man gern spontan reinschneien, solang man kurz vorher telefonisch Bescheid gibt. 

Auf unserem Hof gibt es zwar weder Restaurant noch Geschäft, jedoch werden Verkostungen angeboten und 2 Stunden lang wird am Abend alles an frischem Gemüse, Obst und Eiern verkauft, was der Hof so hergibt. Viele junge Leute kommen mit einem Bulli oder mit dem Zelt, kaufen Wein ein und fahren weiter.

Was macht eure Weine aus?

All unsere Weine sind vegan und kosten zwischen 7€ und 12,30€. Wir wollten immer erschwingliche Preise, weil wir den Wein vielen Menschen zugänglich machen wollten. Wir verkaufen den größten Teil privat, circa 85%. Alle Weinhändler, die bei mir einkaufen, tun das zu meinen regulären Preisen. 

Wir erzeugen jährlich 30.000 Flaschen. Wir haben einen Naturwein, eine Château Abfüllung, einen Wein aus alten Reben und einen Prestigewein.

Insgesamt erzeugen wir vier verschiedene Rotweine, einen Weiß- und für den Sommer auch einen Roséwein. Am meisten verkaufen wir unseren „Le Copin d’abord“, ein veganer Wein, der mit Füßen gepresst wird. 

 

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