Deutsche Winzer in Bordeaux: Stephan Graf von Neipperg
Portrait
März 31, 2021

Deutsche Winzer in Bordeaux: Stephan Graf von Neipperg

Unter den fast 6.000 Weingütern im Bordeaux gibt es einige deutsche Winzer oder Quereinsteiger, die sich in die Region und den Weinbau verliebt haben. Wir starten hiermit eine kleine Serie, in der Euch diese Winzer die in im Bordelais leben und arbeiten interviewen und herausfinden was sie antreibt, warum sie Bordeaux gewählt haben und was die Zukunft für sie bringen soll. 

Den Anfang macht Stephan Graf von Neipperg, dessen Geschichte nicht nur dank des Adelstitels ein wenig wie ein modernes Weinmärchen klingt. Aber wir lassen ihn sich am besten selbst vorstellen…

STEPHAN VON NEIPPERG_© Photo Vinexia.fr.jpg

Hallo Herr Von Neipperg. Wer sind Sie und was genau machen Sie?

Das ist nicht ganz so einfach und wird uns ein paar Zeilenrauben. Mein Name stammt aus einer anderen Zeit ….Stephan Graf von Neipperg, und ich habe 1984 das erste Weingut übernommen, dass mein Vater 1971 erworben hatte.

Meine „höhere“ Ausbildung habe ich zum größten Teil in Paris absolviert….Betriebswirtschaft und Politik, danach ein Abschluss in Agrarwissenschaften in Montpellier gemacht mit Spezialisierung auf Weinbau und Kellertechnik.

In unserem Bereich haben wir immer versucht Weingüter neu zu strukturieren und die Erzeugung weltweit zu vermarkten. Das Grundprinzip ist immer das Gleiche. Wir investieren in sehr qualitative Lagen und Marken, die noch nicht so bekannt sind.

Manche Unternehmer investieren in die Industrie, ich habe immer in Weingüter investiert!! (Château Canon la Gaffelière 1er Grand Cru Classé Saint-Émilion, La Mondotte 1er Grand Cru Classé Saint-Émilion, Clos de l’Oratoire Grand Cru Classé Saint-Émilion, Château Peyreau Grand Crus Saint-Émilion, Château d’Aiguilhe (Castillon), Clos Marsalette in Pessac Léognan und eine Beteiligung an Château Guiraud in Sauternes (1er Crus Classé 1855). Dazu kommen noch Investitionen in Bulgarien,  Bessa Valley und Süd Afrika, Capaia.

Heute sind unsere Standards sehr modern, doch wir betreiben unsere Weingüter schon sehr lange biologisch. Wir haben unsere eigene Auswahl an Reb- und Wurzelunterlagen die aus Weinbergen stammen die vor 1956 gepflanzt wurden und eine hoch interessante Kompost Produktion.

LA MONDOTTE 2016_© François Poincet.jpg

Wie sind Sie zu Bordeaux und Ihrem Weingut gekommen?

Das erste Weingut (Château Canon la Gaffelière) hat mein Vater 1971 gekauft und wurde von einem Direktor geführt. Ich habe es 1983 übernommen und begonnen es langsam zu einem der wichtigen Bordeaux Crus aufzubauen.

Was ist Ihr Bezug zu Deutschland?

Ich bin in Deutschland aufgewachsen, hier ruhen meine ersteren Erinnerungen. Ich habe sieben Geschwister und eine große Familie um mich, so dass ich fast täglich Kontakt zu meinen Freunden und meiner Familie in Deutschland habe. Doch mein Lebensmittelpunkt ist definitiv in Bordeaux.

Warum wollten Sie Winzer werden? Was schätzen Sie an Ihrem Beruf am meisten?

Wir erzeugen ein hoch qualitatives Produkt, veredeln und vermarkten es. Wir arbeiten in einer fast einmaligen Symbiose mit Boden, Pflanzen, Weinkellern und der Vermarktung. Es gibt fast kein anderes landwirtschaftliches Erzeugnis das all dies so umfassend verbindet.

Und natürlich wirtschaftliche Überlegungen. Winzer sein bedeutet für mich eine enorme Freiheit zu besitzen. Alles muss richtig eingesetzt werden. Hochwertige Erzeugnisse sind gut zu vermarkten und schaffen für Familien die Grundlage für ein gesundes und sinnvolles Leben.

Weingüter befinden sich seit dem 13. Jahrhundert im Besitz Ihrer Familie – welchen Einfluss hatte diese tiefe Verbundenheit mit dem Weinanbau auf Sie?

Das Weingut meines Bruders befindet sich seit dem 13. Jahrhundert in der Familie. Ich führe nur die französischen Betriebe und meine internationalen Investitionen. Mir wurde sicher Weinbau in die Wiege gelegt. Wir wuchsen regelrecht mit ihm auf. Die Weinlese und die Weinkeller waren immer höchst aufregende Schauplätze für mich. Das Verkosten und genießen von Wein war natürlich tief verankert in der Familie.

Was sind die größten Herausforderungen für Sie als Winzer?

Das immerwährende, immense Streben nach Spitzenqualität bei sehr hohem ökologischem Anspruch. Ich möchte der nächsten Generation einen „lebenden“ Betrieb hinterlassen.

Wie viele Menschen arbeiten auf Ihrem Weingut, wie groß ist Ihr Weingut und wie viele Flaschen erzeugen Sie pro Jahr?

Wir beschäftigen ungefähr 80 Personen in unseren Weingütern in Frankreich, brauchen aber zwischen April und Oktober noch rund 50 bis 80 Aushilfskräfte und Lesehelfer.

VIGNOBLE CO_© François Poincet.JPG

Sind Besucher auf Ihrem Weingut willkommen? Und wenn ja, warum sollte man Sie besuchen und wann ist die beste Zeit?

Wir freuen uns immer über Besuch! Wir haben hier einen hohen Qualitätsstandard und wollen, wenn  Besucher das Gut wieder verlassen, sie einen tiefen Einblick in unsere Erzeugung haben.

Die Führungen fangen immer draußen im Weinberg an, dort wo sich das Eigentliche, das Mystische abspielt. Die Weinkeller sind eher eine technische Einrichtungen, in denen wir die Qualität weiterverarbeiten, die wir im Weinberg erzeugt habe.

Rechnen sie bitte mit 90 Minuten. Wir haben mittlerweile auch ein sehr sehenswertes Château für Besucher geöffnet, das Château d’Aiguilhe unweit von Saint-Émilion.

 

Wie sehen Sie Bordeaux um Vergleich zu anderen bekannten Weinregionen auf der Welt. Was macht es für Sie so einzigartig?

Bordeaux mit seinen verschiedenen Klassifikationen, hat eine sehr breite Geschichte. Diese finden sie in den Lagen und den Namen der Crus von denen man täglich hört.

Oftmals ist Bordeaux nur durch die sehr klingenden Namen bekannt, aber es gibt heute eine große Anzahl von sehr günstigen Weinen, die noch nicht bekannt sind. Eine echte Fundgrube. Man muss sich nur etwas auskennen, oder sich beraten lassen.

Unsere Weine haben die Eigenschaft im „Alter“ besser zu werden. Wir erzeugen Weine die Struktur, Tiefe aber auch eine immense Frische aufweisen. Wir wollen keine Konfitüre produzieren. In der Frische und Komplexität liegt die Größe und das in einer großen Ausgewogenheit.

CLOS DE L’ORATOIRE’s YARD_© François Poincet.jpg

Was wünschen Sie sich für Bordeaux?

Das auch kleinere und wenig bekannte Güter, die große Weine produzieren, von ihrer Arbeit leben können. Das Bordeaux weiter den Nachhaltigkeitsgedanken im Auge behält, da hier noch viel zu tun ist. Es besteht mittlerweile eine dynamische Aufbruchsstimmung, die für mich hoch erfreulich ist. Der nächste Punkt wird sicher die Agroforstwirtschaft sein. Wir pflanzen wieder überall Hecken und Bäume in den Weinbergen……welcome back to the future.

Danke für das Interview!

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