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September 14, 2022

Bordeaux persönlich: Interview mit David Siozard

David Siozard: „Immer nachdenken und vorausschauend handeln“

Von Rebsortenweinen bis zu Orange Wine: Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Laurent will David Siozard, Verkaufsleiter der beiden Familienweingüter Château Lapinesse (Graves, Sauternes & Barsac) und Château du Claouset (Entre-deux-Mers), neue Maßstäbe für hochindividuelle Weine setzen. Was alle Weine vereint, ist der Gedanke der Nachhaltigkeit. Schließlich tragen die 65 Hektar großen Weinberge seit 2016 das Terra-Vitis-Siegel für nachhaltigen Weinbau, seit 2018 sind sie HVE- und seit 2022 bio-zertifiziert. Ein Interview mit dem Bordeaux-Mastermind.

 

Monsieur Siozard, wenn es eine Weinregion auf der Welt gibt, die für ausgefeilte Assemblagen steht, dann Bordeaux. Wie kamen Sie auf die Idee, mit dieser Tradition zu brechen und auch sortenreine Weine zu vinifizieren?

Die DNA von Bordeaux, unsere Geschichte und unsere Werte drehen sich um traditionelle Weine, die aus dem Verschnitt mehrerer Rebsorten entstehen. So bieten wir komplexe, elegante und großzügige Weine. Die Nachfrage nach fruchtigen, runden, saftigen und süffigen Weinen wird immer größer. Wir reagieren darauf insbesondere mit unserer Produktreihe IPSUM (selbst auf Lateinisch), bestehend aus sechs Rebsortenweinen. Mein Zwillingsbruder Laurent vinifizierte in Nuit Saint-Georges in der Bourgogne und in New South Wales in Australien reinsortige Weiß- und Rotweine, bevor er sich hier niederließ. 2001, also vor mehr als 20 Jahren, kam er auf die Idee, unsere alten Rebsorten wieder anzubauen. Damals war es noch verrückt, mit anderen Rebsorten als Sauvignon Blanc, Merlot oder Cabernet zu arbeiten. Wir begannen mit Carménère, dann mit Malbec, Petit Verdot und kürzlich mit Marselan und Castets. 

Was waren die ersten Reaktionen auf Ihre neuen Weine?

Von Anfang an zogen wir die Aufmerksamkeit der Einkäufer auf uns, indem wir rebsortenreine, fruchtige, runde und angenehme Weine anboten – jeder für sich einzigartig und das neben unserem Sortiment an Cuvées aus unseren verschiedenen Châteaux. Heute umfasst unser Sortiment 26 Cuvées aus 12 verschiedenen Rebsorten und 9 Bordeaux-Appellationen.

Und dann kam auch noch ein Orange Wine hinzu. Nicht gerade typisch für Bordeaux, oder?

Der Wunsch, einen Orange Wine herzustellen, entstand aus der lang gereiften Überlegung, eine Weißwein-Cuvée als Ergänzung zu unseren trockenen Bordeaux- und Graves-Weißwein-Cuvées zu erzeugen. Seit mehreren Jahren stellen wir einen Rotwein her, der aus einer weltweit einzigartigen Assemblage der sechs symbolträchtigen und historischen Rebsorten der Region Bordeaux zu gleichen Anteilen besteht. Als unsere Amphoren während der Weinlese leer waren, erwachte ins uns – als Technikbegeisterte – der Wunsch, einen 45 Tage lang mazerierten Weißwein mit einigen unserer weißen Rebsorten herzustellen. Bis heute ist der Sauvignon Gris aus unserer Sicht ideal, um einen großzügigen Wein mit einer angenehmen Bitterkeit und einem Abgang mit Noten von Trüffeln und Feigen zu erzeugen. Auch dieser Wein erfreut sich einer starken Nachfrage, vor allem in Nordeuropa und den USA. In unserem Beruf ist es wichtig, in den Weinbergen und im Keller bei der Weinbereitung Freude zu haben. Gleichzeitig möchten wir aber auch vor allem Flexibilität bieten, um die Erwartungen der Verbraucher zu erfüllen. 

Wären diese neuen Wege überhaupt möglich gewesen, wenn Sie nicht nachhaltig gearbeitet hätten?

Unser Engagement für einen nachhaltigen Weinbau ist ebenfalls das Ergebnis von Überlegungen und Anpassungen an die Welt, die uns umgibt. Abgesehen von der Neuanpflanzung alter Rebsorten war eine der ersten Handlungen meines Bruders im Jahr 2001, auf so viele Pflanzenschutzmittel wie möglich zu verzichten, insbesondere auf KMR-Stoffe. Wir haben dieses Engagement mit der Annahme der Terra Vitis Charta, dann mit der HVE-Zertifizierung und schließlich seit 2019 mit dem Bio-Siegel fortgesetzt. Das ist unsere heutige Anbauphilosophie. Wir hätten diese ungewöhnlichen Weine auch konventionell erzeugen können. Diese Frage stellt sich jedoch nicht, da wir uns seit über zehn Jahren für eine umweltfreundliche Produktionsweise entschieden haben. 

Welche Bedeutung messen Sie jetzt dem naturnahen Anbau bei?

Bei der Abfüllung, bei der organischen Pflanzenbehandlung und den weiteren Aufgaben im Weinkeller und im Weinberg richten wir uns nach dem Mondkalender. Das ist nicht perfekt, aber wir stellen seit mehreren Jahren fest, dass unsere Weine präziser sind und sich schneller, frischer und fruchtbetonter öffnen. Im Weinberg bemerken wir eine Rückkehr der Nützlinge und wir freuen uns, dass diese Freunde uns auf natürliche Weise dabei begleiten, unsere Weinberge und ihre Früchte zu schützen. 

 

Hagel, Hitze, Waldbrände – der Klimawandel lässt sich nicht mehr ignorieren. Welche weiteren Maßnahmen ergreifen Sie derzeit, um sich auf die Zukunft vorzubereiten?

Immer nachdenken und vorausschauend handeln. Im Weinberg wurden einige Aufgaben neu überdacht, insbesondere ein später Rebschnitt, um die Auswirkungen des Frühjahrsfrosts zu begrenzen. Außerdem werden alle unsere Arbeiten systematisch doppelt mechanisiert, um unseren CO2-Fußabdruck zu begrenzen. Im Rahmen unserer Diversifizierung haben wir mit Marselan und demnächst mit Touriga Nacional südliche Rebsorten neu angepflanzt. Diese sind weniger anfällig für Wasserstress, große Hitze und Pilzkrankheiten. Darüber hinaus haben wir einige Parzellen mit geringerem Qualitätspotenzial identifiziert, die nun für den Getreideanbau genutzt werden. Schließlich wird in den kommenden Wochen ein groß angelegtes Agroforstwirtschaftsprojekt ins Leben gerufen, bei dem mehrere hundert Laub-, Obst- und Ligusterbäume in unseren Weinbergen gepflanzt sowie Hecken und Nistkästen angelegt werden sollen. Es gibt keine Zukunft ohne den Erhalt der biologischen Vielfalt durch die Kombination verschiedener Kulturen und die Anpassung an den Klimawandel. 

Mehr Infos: https://www.vignobles-siozard.com/

 

Copyright: CIVB, Vignobles Siozard

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